Warum Frauen länger leben als Männer

Warum Frauen länger leben als Männer

Warum leben Frauen länger als Männer?
Die Rolle von Stress im Alterungsprozess. Du liest Warum Frauen länger leben als Männer 6 Minuten Weiter Blue Zones

Manchmal verlieren wir uns in den großen Fragen des Lebens, aber eine ist immer präsent: Wie viele Jahre haben wir noch? Die Lebenserwartung gibt darauf eine Antwort. Eine Antwort, die von Faktoren wie dem Klima, unseren täglichen Gewohnheiten und sogar dem Geschlecht, mit dem wir geboren werden, beeinflusst wird?

Die letzten Zahlen vor der Pandemie legten offen, dass wir im Durchschnitt 73,23 Jahre auf diesem Planeten verbringen werden. Das ist ein bemerkenswerter Anstieg von den 69,29 Jahren im Jahr 2000.

Noch beeindruckender sind die Zahlen aus Europa, wo die Leute im Durchschnitt 75 Jahre alt werden.

Ein Detail sticht allerdings heraus: Bis auf wenige Ausnahmen leben Frauen länger als Männer im Durchschnitt. Sie kommen global auf 75,9 Jahre, während Männer im Schnitt 70,8 Jahre erwarten dürfen.1

Dieser geschlechtsspezifische Unterschied in der Lebenserwartung ist nicht neu. Auch wenn wir dank medizinischer und technologischer Fortschritte länger leben, bleibt diese Diskrepanz zwischen den Geschlechtern bestehen. 

WHO Alter Frauen und Männer

Entwicklung der durchschnittliche Lebenserwartungen in Jahren, 2000, 2010, 2019, Quelle: WHO


 

Worin liegt das Geheimnis der unterschiedlichen Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen? 

Obwohl Wissenschaftler noch keine abschließende Antwort gefunden haben, gibt es dennoch einige Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Studien. Dabei geht es nicht nur um Lebensgewohnheiten, sondern auch um biologische und genetische Unterschiede. Umweltbelastungen, Hormone, Berufssektoren und sogar unser Erbgut sind nur einige der Elemente, die das Rätsel der geringeren Lebenserwartung von Männern lösen können.

 

Frauen haben vor der Menopause aufgrund des schützenden Effekts von Östrogen (dem weiblichen Hormon) niedrigere Cholesterinspiegel als Männer, was zu einem niedrigeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt.2 Nach der Menopause nähert sich das Risiko dem von Männern an, bleibt aber aufgrund des anfänglichen Vorteils und anderer biologischer Faktoren oft niedriger.3

 

Während Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit eine führende Todesursache sind und Männer tendenziell anfälliger für Risikofaktoren wie Atherosklerose sind4, zeigt die Rolle von Östrogen, dass es die Blutgefäße erweitert und schützt, was zur längeren Lebenserwartung von Frauen beiträgt.5 Die Hormonersatztherapie (HET) nach der Menopause hat Vor- und Nachteile. Ursprünglich wurde angenommen, dass HET das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren könnte.6 Spätere Studien, insbesondere die Women's Health Initiative (WHI), zeigten jedoch, dass bestimmte Formen der HET das Risiko für bestimmte Krankheiten, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhen könnten.7 Es ist daher wichtig, dass Frauen die potenziellen Risiken und Vorteile mit ihrem Arzt besprechen.8

Molekularbiologie

Hier zeigt sich ein interessantes genetisches Phänomen: Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, während Männer mit einem X- und einem kürzeren Y-Chromosom ausgestattet sind. Einige Theorien postulieren, dass der Verlust des zweiten X-Chromosoms bei Männern die höhere Sterblichkeitsrate erklärt.9Telomere DNA

Dann gibt es noch die Telomere - Endsequenzen der Chromosomen, die unsere genetische Stabilität bewahren. Auffällig ist, dass Männer generell kürzere Telomere besitzen als Frauen.10 Dies könnte bedeuten, dass Männer biologisch schneller altern als Frauen.11

 

Umwelt- und Lebensstil

Die Genetik gibt uns zwar vor, was wir sind, aber wie wir leben, bestimmt, wie lange wir leben. Verhaltensänderungen können unsere Lebenserwartung erheblich beeinflussen. 

  • Zigarettenrauchen: Rauchen, eine Gewohnheit, die bei Männern immer noch stärker verbreitet ist als bei Frauen, kann die Lebenserwartung um fast zehn Jahre verkürzen. Es raubt uns nicht nur Jahre, sondern auch die Qualität dieser.12

 

Frauen und Männer Umgang mit Stress

 

  • Psychologischer und sozialer Stress: Zahlreiche Studien haben den Einfluss von psychosozialem Stress auf die Gesundheit und das Mortalitätsrisiko untersucht.13 Belastende soziale Beziehungen, sei es in der Partnerschaft oder in der Familie, können sich negativ auf die Gesundheit auswirken.14 Während belastende Lebensereignisse wie finanzielle Schwierigkeiten oder der Verlust eines geliebten Menschen in jedem Alter auftreten können, zeigen die Ergebnisse, dass die Auswirkungen von Stress insbesondere im mittleren Lebensalter erheblich sein können.15 Die Wahrnehmung von und die Reaktion auf Stress hängen häufig von individuellen psychologischen Faktoren ab, einschließlich der psychischen Belastbarkeit und der Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen.16 Es hat sich gezeigt, dass Menschen, die einem hohen Maß an psychosozialem Stress ausgesetzt sind, eher zu destruktiven Verhaltensweisen wie Rauchen17 und übermäßigem Alkoholkonsum18 neigen, was ihre Gesundheit weiter beeinträchtigen kann. Es ist auch zu beachten, dass kulturelle und soziale Normen, insbesondere in Bezug auf Geschlechterrollen, die Wahrscheinlichkeit beeinflussen können, dass Einzelpersonen therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.19 Es gibt Hinweise darauf, dass Männer in bestimmten Kulturen weniger wahrscheinlich professionelle Hilfe bei psychischen Gesundheitsproblemen in Anspruch nehmen, was häufig auf vorherrschende Stereotype und Erwartungen zurückzuführen ist.20
  • Essensgewohnheiten: Die Wahl unserer Nahrungsmittel beeinflusst direkt die Lebenserwartung. Eine hohe Ballaststoffaufnahme korreliert positiv mit einer längeren Lebensspanne und reduziertem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.21 In Untersuchungen zeigte sich, dass Männer tendenziell zu Fleisch und Schinken neigen, während Frauen verstärkt Obst und Gemüse konsumieren.22,23 Dabei ist nicht Fleisch als schädlich zu klassifizieren, sondern vielmehr die positiven Effekte von Ballaststoffen aus Pflanzenkost, die vor Herz-Kreislauf-Beschwerden schützen. 
  • Risikoverhalten: Männer neigen zu einem risikofreudigeren Verhalten.24 Diese Neigung kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Zu den gefährlichen Formen des Risikoverhaltens gehören Drogenkonsum, riskante Manöver im Straßenverkehr, Glücksspiel und Extremsportarten. Im Gegensatz dazu können einige Formen des Risikoverhaltens, wie z.B. Unternehmensgründungen oder politisches Engagement, als konstruktiv angesehen werden. Dennoch kann diese Risikobereitschaft insgesamt zu einer höheren Sterblichkeitsrate bei Männern im Vergleich zu Frauen führen.

 Motorradfahrer

Was können alle Menschen, insbes. Männer tun, um länger gesund zu leben?

  1. Bewusstsein schaffen: Erkenntnis ist der erste Schritt zur Veränderung. Männer müssen sich der spezifischen Risikofaktoren bewusst sein, die ihre Lebenserwartung beeinflussen können. Durch das Schaffen eines Bewusstseins für schädliche Verhaltensweisen können Männer proaktive Maßnahmen zur Verringerung dieser Risiken ergreifen.

  2. Lebensstil-Optimierung: Dazu gehört der Verzicht auf Tabak, der gemäßigte Umgang mit Alkohol und die Aufrechterhaltung einer regelmäßigen körperlichen Aktivität. Diese Grundbausteine tragen maßgeblich zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit bei.

  3. Ernährungsgewohnheiten verändern: Neben dem Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln sollte man auch auf eine ausgewogene Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen achten. Es empfiehlt sich auch, feste Essenszeiten einzuhalten, um den Körper zu stabilisieren. Mehr dazu in unserem Artikel “Forever Food?”

  4. Stress und Psyche Managen: Wenn Stress überhand nimmt oder emotionale Probleme belasten, kann professionelle Hilfe entscheidend sein. Diverse Stressbewältigungstechniken, gepaart mit dem Aufbau tieferer, sinnvoller Beziehungen, tragen zu einem gesünderen geistigen Zustand bei. Mehr dazu in unserem Artikel “Jung im Kopf, jung im Körper?”

  5. Kalkulierte Risiken eingehen: Obwohl Risikobereitschaft in gewissem Maße förderlich ist, ist es von Vorteil, gut durchdachte Risiken einzugehen, die sich in positiven Ergebnissen manifestieren, anstatt lediglich kurzlebigen Thrills nachzugehen. 

Fazit

Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Lebensgewohnheiten, Ernährung, Verhaltensmuster und genetische Faktoren beeinflussen die Lebenserwartung beider Geschlechter. Männer haben jedoch die Möglichkeit, die Lücke zur weiblichen Lebenserwartung zu schließen, indem sie bewusst gesündere Entscheidungen treffen und ihrer Gesundheit die notwendige Priorität einräumen.

 


 

  1. WHO (2023): Life expectancy. World Population. (n.d.). https://apps.who.int/gho/data/view.main.SDG2016LEXREGv?lang=en
  2. Mendelsohn, M. E., & Karas, R. H. (1999). The protective effects of estrogen on the cardiovascular system. New England journal of medicine, 340(23), 1801-1811.
  3. Matthews, K. A., et al. (2019). Menopause and risk factors for coronary heart disease. The New England Journal of Medicine, 321(10), 641-650.
  4. World Health Organization. (2018). Cardiovascular diseases (CVDs). WHO.
  5. Murphy, E. (2011). Estrogen signaling and cardiovascular disease. Circulation Research, 109(6), 687-696.
  6. Grodstein, F., & Manson, J. E. (2003). Postmenopausal hormone therapy and heart disease. Circulation, 108(4), e19-e21.
  7. Rossouw, J. E., et al. (2002). Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women: principal results from the Women's Health Initiative randomized controlled trial. JAMA, 288(3), 321-333.
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  9. Cawthon RM, Smith KR, O’Brien E et al. Association between telomere length in blood and mortality in people aged 60 years or older. Lancet 2003; 361: 393–395.
  10. Benetos A, Okuda K, Lajemi M et al. Telomere length as an indicator of biological aging: the gender effect and relation with pulse pressure and pulse wave velocity. Hypertension 2001; 37 (2 Part 2): 381–385.
  11. Lang, E., Arnold, K., & Kupfer, P. (1994). Frauen werden älter--Biologische, medizinische und soziologische Ursachen [Women live longer--biological, medical and sociologic causes]. Zeitschrift fur Gerontologie, 27(1), 10–15.
  12. Streppel, M. T., Boshuizen, H. C., Ocké, M. C., Kok, F. J., & Kromhout, D. (2007). Mortality and life expectancy in relation to long-term cigarette, cigar and pipe smoking: the Zutphen Study. Tobacco control, 16(2), 107–113. https://doi.org/10.1136/tc.2006.017715
  13. Cohen, S., Janicki-Deverts, D., & Miller, G. E. (2007). Psychological stress and disease. JAMA, 298(14), 1685-1687.
  14. Umberson, D., & Montez, J. K. (2010). Social relationships and health: A flashpoint for health policy. Journal of health and social behavior, 51(1_suppl), S54-S66.
  15. Matthews, K. A., et al. (2019). Influence of multiple social roles on stress and age-related health outcomes. The American Journal of Epidemiology, 177(1), 1-8.
  16. Southwick, S. M., & Charney, D. S. (2012). The science of resilience: implications for the prevention and treatment of depression. Science, 338(6103), 79-82.
  17. Kassel, J. D., Stroud, L. R., & Paronis, C. A. (2003). Smoking, stress, and negative affect: correlation, causation, and context across stages of smoking. Psychological bulletin, 129(2), 270.
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  19.  Vogel, D. L., & Wester, S. R. (2003). To seek help or not to seek help: The risks of self-disclosure. Journal of Counseling Psychology, 50(3), 351.
  20. Addis, M. E., & Mahalik, J. R. (2003). Men, masculinity, and the contexts of help seeking. American psychologist, 58(1), 5.
  21. Kassel, J. D., Stroud, L. R., & Paronis, C. A. (2003). Smoking, stress, and negative affect: correlation, causation, and context across stages of smoking. Psychological Bulletin, 129(2), 270–304. https://doi.org/10.1037/0033-2909.129.2.270
  22. Soliman G. A. (2019). Dietary Fiber, Atherosclerosis, and Cardiovascular Disease. Nutrients, 11(5), 1155. https://doi.org/10.3390/nu11051155
  23. Mizia, S., Felińczak, A., Włodarek, D., & Syrkiewicz-Świtała, M. (2021). Evaluation of Eating Habits and Their Impact on Health among Adolescents and Young Adults: A Cross-Sectional Study. International journal of environmental research and public health, 18(8), 3996. https://doi.org/10.3390/ijerph18083996
  24. Tamás, V., Kocsor, F., Gyuris, P., Kovács, N., Czeiter, E., & Büki, A. (2019). The Young Male Syndrome-An Analysis of Sex, Age, Risk Taking and Mortality in Patients With Severe Traumatic Brain Injuries. Frontiers in neurology, 10, 366. https://doi.org/10.3389/fneur.2019.00366