Das Altern: Ein unaufhaltsamer, natürlicher Wandel, dem wir alle unterworfen sind. Im Jahr 2013 hat sich unser Blick auf dieses Phänomen grundlegend gewandelt. Pioniere der Forschung - darunter Carlos López-Otín und Maria A. Blasco - skizzierten neun zentrale Kennzeichen, die "Hallmarks of Aging". Ein Jahrzehnt und mehr als 300.000 wissenschaftliche Artikel über das Altern von verschiedenen Autoren später, im Jahr 2023, fügen sie drei weitere Kennzeichen hinzu.
Das ist ein beeindruckender Fortschritt. Aber seien wir ehrlich: Wie oft verschwinden revolutionäre wissenschaftliche Erkenntnisse im Nebel komplizierter Fachbegriffe?
Das soll hier anders sein. Ziel dieses Artikels ist es, die "12 Hallmarks of Aging" so zu erklären, dass sie nicht nur verständlich sind, sondern auch im Gedächtnis bleiben. Du erfährst, wie man diese Kennzeichen messen kann und welche aktuellen Ansätze es gibt, den Alterungsprozess durch gezielte Interventionen oder Lebensstiländerungen in eine positive Richtung zu lenken.
Betrachte diesen Artikel als deinen persönlichen Reiseführer durch das faszinierende Land des Alterns. Ein Reiseführer, der dir auf einfache Weise zeigt, was in uns allen vorgeht. Es ist die Tour deines Lebens: das Altern. Bist du dabei?
Grundlegende Konzepte und Schlüsselbegriffe
Bevor wir tiefer in die Geheimnisse des Alterns eintauchen, sollten wir einige Begriffe klären, die uns wieder begegnen werden:
Autophagie: Unsere Zellen mögen Ordnung. Wenn es Müll gibt, räumen sie ihn auf und recyclen ihn. Das ist wie ein innerer Hausputz.
Chromosomen: Sie sind wie die Regale in unserer genetischen Bibliothek. Auf ihnen lagern die Bücher (Gene), die den gesamten Bauplan des Körpers enthalten.
DNA: Stellt euch das vor wie die Seiten in den Büchern unserer genetischen Bibliothek (Genom). Sie enthalten den genauen Code, den unsere Zellen brauchen, um zu funktionieren. Die DNA befindet sich im Kern jeder Zelle. Der Kern ist das Kontrollzentrum der Zelle.
Epigenetik: Manchmal ändert sich die Art und Weise, wie ein Gen arbeitet, obwohl sein Code unberührt bleibt. Das ist Epigenetik - Gene in Aktion ohne genetische Veränderung.
Genom: Stellt euch das vor wie die Bibliothek eines Lebewesens. Darin befinden sich alle Gene, die Instruktionen für die Entwicklung und Funktion dieses Organismus geben.
Hormone: Sie sind wie die Boten in unserem Körper. Sie überbringen Nachrichten von einem Ort zum anderen, um sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert.
Mitochondrien: Stelle sie dir wie Batterien in unseren Zellen vor. Sie liefern die Energie, die alles am Laufen hält.
Nährstofferkennung (Nutrient Sensing): Das ist der Spürsinn unserer Zellen. Sie können "schmecken", welche Nährstoffe verfügbar sind und reagieren darauf.
Proteine: Diese sind wie die Werkzeuge und Maschinen in einer Fabrik. Sie erledigen viele Aufgaben in unseren Zellen, von der Unterstützung beim Wachstum bis zur Bekämpfung von Krankheiten.
Proteostasis: Unsere Zellen produzieren ständig Proteine. Aber wie behalten sie den Überblick und sorgen dafür, dass nicht zu viele oder zu wenige vorhanden sind? Das ist Proteostasis.
Seneszente Zellen: Mit der Zeit gibt es Zellen, die aus dem Tritt kommen und nicht mehr so arbeiten, wie sie sollten. Das sind die seneszenten oder auch “Zombie” Zellen.
Sirtuine: Denk an sie wie an Wächter, die sicherstellen, dass alles nach Plan verläuft. Sie helfen, unsere DNA zu schützen und spielen eine wichtige Rolle bei der Langlebigkeit und Gesundheit.
Stammzellen: Diese Zellen sind wie ein Joker im Kartenspiel. Sie können sich in fast jede Art von Zelle verwandeln und sind für Reparaturen und Erneuerungen unerlässlich.
Telomere: Sie sind wie die Plastikenden an den Spitzen von Schnürsenkeln, die verhindern, dass sie ausfransen. In unserem Körper schützen sie unsere Chromosomen.
Zellkommunikation: Unsere Zellen sind keine Einzelgänger. Sie reden miteinander, teilen Neuigkeiten und Infos. Das ist ihre Art der Kommunikation.
Die 12 Kennzeichen des Alterns
1. Genomische Instabilität
Wie bei einer CD, die oft abgespielt wird, können Kratzer entstehen, die die Musik stören - also die Art und Weise, wie unser Körper funktioniert. Diesen Prozess nennen wir genomische Instabilität. Wissenschaftler wie Nir Barzilai haben festgestellt, dass manche Menschen, vor allem Hundertjährige, “bessere CDs” zu besitzen scheinen, die weniger Kratzer aufweisen. Um herauszufinden, “wie zerkratzt die CD eines Menschen ist”, analysieren Wissenschaftler die DNA-Sequenzen. Aber es gibt Hoffnung: Eine gesunde Ernährung und Antioxidantien könnten helfen, die Kratzer zu minimieren.
Merke: Je älter die CD (unsere DNA), desto mehr Kratzer; doch mit der richtigen Pflege und Ernährung lassen sich diese reduzieren.
2. Abnutzung der Telomere
Telomere sind wie die Kunststoffenden von Schnürsenkeln. Sie schützen die Enden unseres Erbguts. Doch mit der Zeit nutzen sie sich ab und die Schnürsenkel, unsere Chromosomen, beginnen auszufransen. Stress, so Dr. Elissa Epel kann diesen Prozess beschleunigen. Um die Länge und Gesundheit der Telomere zu überprüfen, gibt es spezielle Tests. Die gute Nachricht: Mit Schlaf, Sport und Stressbewältigung kann man dem entgegenwirken.
Merke: Unsere Telomere - die Schutzenden der Chromosomen - nutzen sich mit der Zeit und besonders durch Stress ab, doch Sport und Entspannung können dem vorbeugen.
3. Epigenetische Veränderungen
Stell dir vor, deine Gene hätten "Lautstärkeregler". Epigenetische Veränderungen sind, als ob jemand an diesen Reglern spielt - einige Gene werden lauter, andere leiser gestellt. Dadurch ändert sich die Art und Weise, wie diese Gene "arbeiten". David Sinclair und Leonard P. Guarente sind dieser "Musik" auf den Grund gegangen. Sie fanden heraus, dass Proteine wie die Sirtuine diese Lautstärke beeinflussen können. Um die "Lautstärke" der Gene zu messen, untersuchen die Wissenschaftler die epigenetischen Marker und die Art und Weise, wie sich die Gene ausdrücken. Und wie hält man die "Musik" im Gleichgewicht? Vermutlich mit gesunder Ernährung und der Vermeidung von Umweltgiften.
Merke: Epigenetische Veränderungen verändern die "Lautstärke" unserer Gene; Sirtuine spielen eine Rolle; gemessen durch Markierungen und Profile; ausbalanciert durch Ernährung und Umweltbewusstsein.
4. Verlust der Proteostase
Zellen sind wie kleine Fabriken, die Proteine herstellen. Mit der Zeit lässt die Qualitätskontrolle nach und es entstehen "fehlerhafte Produkte". Julie Andersen hat sich auf neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer konzentriert und festgestellt, dass diese fehlerhaften Proteine eine Rolle bei der Entstehung solcher Krankheiten spielen. Um die Qualität dieser Proteinprodukte zu überprüfen, gibt es spezielle Tests für Proteinansammlungen. Und wie kann man diese "Produktfehler" vermeiden? Möglicherweise durch regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung.
Merke: Ein Ungleichgewicht in der Proteinherstellung kann zu Krankheiten wie Alzheimer führen; gemessen durch Tests für Proteinansammlungen; reguliert durch Sport und Ernährung.
5. Deaktivierte Makrophagie (Autophagie)
Stell dir deine Zelle als einen Raum vor, der von Zeit zu Zeit aufgeräumt werden muss. Im Laufe der Jahre sammelt sich immer mehr Unordnung an, und der Aufräumdienst, die so genannte Autophagie, kommt nicht mehr hinterher. Doch woran erkennen die Forscher, ob der Aufräumdienst noch gut funktioniert? Sie suchen nach bestimmten chemischen Markern in den Zellen wie z.B. CD68, F4/80, CD11b. Es gibt Substanzen wie Spermidin, Fisetin und Quercetin, sogenannte Senolytika, die helfen sollen, Zombiezellen zu beseitigen. Peter Attia hat einen Tipp: Intervallfasten und Sport können die Autophagie wieder in Schwung bringen.
Merke: Autophagie nimmt mit dem Alter ab; Messung durch Zellmarkierungen; Anregung durch Intervallfasten und Sport und sog. Selolytika.
6. Deregulierte Nährstofferfassung
Deine Zellen sind wie feinfühlige Sensoren, die darauf trainiert sind, die Nahrung, die du zu dir nimmst, zu spüren und zu nutzen. Aber manchmal werden sie taub für diese Signale, besonders wenn es um die Verwertung von Nährstoffen geht. Wie kann man überprüfen, ob die Sensoren noch scharf sind? Mit Insulinsensitivitätstests.
Merke: Schwache Nährstoffwahrnehmung kann Stoffwechselprobleme hervorrufen; gemessen durch Insulinsensitivität; Ausbalancierung durch ausgewogene Ernährung und Sport.
7. Mitochondriale Dysfunktion
Die Mitochondrien in deinen Zellen sind wie kleine Kraftwerke. Aber wie alle Kraftwerke können sie mit der Zeit weniger effizient werden, wodurch weniger Energie und mehr Abfallstoffe produziert werden. Wie gut dieses Kraftwerk noch funktioniert, wird mit speziellen Tests überprüft.
Merke: Wenn die Energieproduktion sinkt, kann das zu Müdigkeit führen; gemessen durch Tests der Mitochondrienaktivität; Anregung durch Sport und Antioxidantien.
8. Zelluläre Seneszenz
Stell dir vor, Zellen könnten wie Menschen altern. Leonard Hayflick fand heraus, dass sich Zellen nur eine bestimmte Anzahl von Malen teilen können, bevor sie aufhören - das ist die Hayflick-Grenze. Doch das Ende ist nicht das Ende. Judith Campisi fand heraus, dass diese "alten" Zellen nicht einfach verschwinden. Sie können weiterhin Probleme verursachen, indem sie entzündungsfördernde Substanzen freisetzen.
Merke: Zellen haben ein Limit, wie oft sie sich teilen können; gemessen durch Markierungen für Zellalterung; Vorbeugung durch Sport und ausgewogene Ernährung.
9. Erschöpfung der Stammzellen
Stammzellen sind ein bisschen wie das Reparaturteam deines Körpers. Aber mit der Zeit verliert dieses Team an Kraft und Geschwindigkeit. Wie wissen wir, ob das Reparaturteam noch in Bestform ist? Durch das Zählen der Stammzellen und Tests ihrer Aktivität. Aber nicht alles ist verloren: Mit Sport und guter Ernährung kann man diesem Team auf die Sprünge helfen.
Merke: Mit der Zeit verliert unser Körper-Reparaturteam an Effizienz; gemessen durch Stammzellzahlen und Aktivitätstests; Unterstützung durch Sport und Ernährung.
10. Veränderte interzelluläre Kommunikation
Stell dir vor, deine Zellen sind wie ein Orchester, das harmonisch zusammen spielt. Doch mit der Zeit verlernen manche Instrumente ihre Noten und das Zusammenspiel klingt schief. Durch die Analyse von Signalwegen können wir herausfinden, wo die Kommunikation schiefläuft. Und wie bringt man das Orchester wieder ins Einklang? Antioxidantien und entzündungshemmende Lebensmittel sind der Schlüssel.
Merke: Zellkommunikation wird mit der Zeit schief; gemessen durch Signalweganalysen; Harmonisierung durch Antioxidantien und entzündungshemmende Nahrung.
11. Chronische Entzündungen
Ständige, leichte Entzündungen sind, als wäre dein Haus in einem kleinen, niemals endenden Brand. Diese stillen Feuer können uns schneller altern lassen. Dr. Mark Hyman empfiehlt, die Flammen mit einer entzündungshemmenden Ernährung zu bekämpfen. Doch wie erkennen wir dieses stille Feuer? Durch Entzündungs-Markern in Bluttests.
Merke: Dauerhafte Entzündungen beschleunigen den Alterungsprozess; gemessen durch Entzündungsmarker; Löschen des Feuers durch entzündungshemmende Ernährung und Stressmanagement.
12. Dysbiose
Dein Darm ist wie ein Ökosystem mit gutartigen und schädlichen Bakterien. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, spricht man von Dysbiose. Wie prüfen wir das Gleichgewicht? Durch Tests des Darmmikrobioms. Um dieses Gleichgewicht zu erhalten oder wiederherzustellen, können Präbiotika, Probiotika und eine ausgewogene Ernährung helfen.
Merke: Das Darmgleichgewicht kann sich im Laufe der Zeit verschieben; gemessen durch Mikrobiomtests; Ausgleich durch Probiotika und ausgewogene Ernährung.
Von 9 zu 12 Merkmalen: Eine Weiterentwicklung
Ursprünglich gab es neun Kennzeichen. Neu hinzugekommen sind:
- Chronische Entzündungen
- Dysbiose
- Gestörte Makrophagie
Warum von 9 auf 12 erweitern?
Die Erweiterung der Kennzeichen von 9 auf 12 ist nicht einfach eine Umetikettierung. Sie spiegelt wider, wie die Forschung, angetrieben durch Entwicklungen in der Mikrobiologie und Immunologie, immer tiefer in die Geheimnisse des Alterns eindringt. Unser Blick auf das Alter verändert sich, bleibt in Bewegung, entwickelt sich.
Ein ganzheitlicherer Blick? Ja, er lässt uns tiefer verstehen. Und mit dem neu gewonnenen Wissen können wir präziser forschen, präziser behandeln. Die Dysbiose als neue Erkenntnis könnte den Weg für probiotische Therapien ebnen. Die hinzugekommenen Merkmale zeigen auch, wie verwoben die Alterungsprozesse sind. Ein Beispiel? Chronische Entzündungen. Sie stehen in ständiger Wechselwirkung mit anderen Alterungsprozessen.
Das wachsende Bewusstsein für diese Kennzeichen, die erweiterte Aufmerksamkeit, bringt Licht ins Dunkel bisher unterschätzter Alterungsfaktoren. Zum Beispiel die Darmgesundheit, die aus ihrem Schattendasein heraustritt. Und am Ende? Das klarere Bild des Alterns schärft den Blick dafür, wo Ressourcen in Forschung und Gesundheitsversorgung am besten eingesetzt werden sollten.
Fazit
Das Altern, ein komplexer Prozess, wird durch zwölf charakteristische Kennzeichen definiert. Ursprünglich mit neun Kennzeichen gestartet, hat die Wissenschaft, getrieben von neuesten Erkenntnissen, die Liste um Chronische Entzündungen, Dysbiose und Gestörte Makrophagie erweitert. Das Modell hat zwar Mankos, etwa das Auslassen bestimmter Lebensstilfaktoren, aber es bleibt dennoch ein zentrales Instrument für Forscher. Ein tiefes Verständnis dieser Kennzeichen kann uns leiten - sowohl im Alltag für gesündere Entscheidungen und Medizin als auch in der Forschung für gezielte Studien. In einer Zeit, in dem immer weniger Menschen geboren werden, wird das Begreifen dieser Kennzeichen immer relevanter.